Seit 20 Jahren gutes Volkstheater

Zur hundertsten Aufführung der Theatergruppe Friesenber

Im Frühjahr 1946 gründete der idealistische Bankangestellte Leo Seidl mit seiner tüchtigen Frau Anny zusammen die Theatergruppe Friesenberg. Mit ihr erstand nicht etwa ein neuer „Dramatischer Verein“, in dessen Repertoire Zigeuner unschuldige Grafentöchter verschleppten oder oberbayrische Förster und Wilddiebe um die Wette knallten. Dem kitschigen Rührstück hatte der Regisseur und Charakterdarsteller Leo Seidl zum vornherein den Kampf angesagt. Statt dessen wollte er gutes Volkstheater bieten.

Der Anfang war freilich nicht gerade ermutigend. Ein Saal stand zwar im Kirchgemeindehaus zur Verfügung; doch fehlte es an einem Probelokal. In den kleinen Stuben der Mitglieder, die mühselig zusammengetrommelt wurden, und sogar in einer nüchternen Garage musste zunächst geübt werden, bis im Januar 1960 der neue Schweighofsaal samt eigener Probebühne in Betrieb genommen werden konnte.

Guter Besuch lohnte die Anstrengungen der Mitwirkenden. Bereits die erste Vorstellung konnte ausverkauft und eine zweite angesetzt werden; später gab es bis zu vier Wiederholungen neben auswärtigen Gastspielen. Im Laufe der zwei Dezennien sind rund 30 abendfüllende Dialektstücke, darunter einige Uraufführungen, über die Friesenberg-Bühne gegangen und — was ebenfalls vermerkt werden darf — über 13'000 Franken aus den Reingewinnen wohltätigen Institutionen zugeflossen. Es rechtfertigt sich somit, dem jubilierenden Verein, der auch viele Wohltätigkeitsveranstaltungen in der Zürcher Hochgebirgsklinik Clavadel absolviert hat, Glück für seine fernere Tätigkeit zu wünschen!

„Früelig im Buechehof“ als Jubiläumspremiere

Kürzlich fand die hundertste Aufführung der Theatergruppe statt. Das Publikum, dem es für seine zwanzigjährige Treue ebenfalls ein Kränzchen zu winden gilt, fand sich auch diesmal vollzählig ein: im Grossen Schweighofsaal war kaum mehr ein gutes Plätzlein zu erhaschen. Lenzstimmung brachten die Zuschauer bereits von zu Hause mit; von Gönnern aufgestellte festliche Blumenarrangements kündeten vom Aufblühen der Natur, und das aufgeführte Dialektstück „Früelig im Buechehof“ schien vollends das blaue Band des Dichters leuchtend flattern zu lassen...

Ein Lustspiel mit ernstem Hintergrund könnte man den von T. J. Felix ausgezeichnet bearbeiteten Dreiakter bezeichnen. Schauplatz der heiteren Vorgänge ist eine atmosphärisch ungemein echt getroffene Bauernküche (Ausstattung: Alb. Isler GmbH). Hier führen die Junggesellen Oberholzer das Regiment. Ihre Haushälterin, die keifende Vrene, liegt krank darnieder. Die drei zänkischen Brüder, die knurrend und murrend die Wirtschaft besorgen, bilden aber sogleich eine harmonische Einheit, als der Viehhändler Häberli den Versuch unternimmt, einen von ihnen unter die Haube zu bringen. Die heiratswütige Witwe Pfenninger, die er ihnen auf die Bude schickt, hat also nicht die geringsten Chancen; umso mehr als die inzwischen gesundete Vrene um ihren Arbeitsplatz fürchtet. Doch mit des Geschickes Mächten ist auch auf dem Buchenhof kein ewiger Bund zu flechten: ein Findelkind (eine zarte Anspielung auf das Mütter- und Säuglingsheim Pilgerbrunnen, dem die Hälfte des Reinertrags der Aufführungen zukommt!) bringt die Wandlung. Aus den drei Hagestolzen werden urplötzlich besorgte Väter, deren rührend-grobe „Kinderpflege“ beim sachkundigen Publikum wahre Lachsalven auslöst. Und als der gebrechlichen Haushälterin vom Gemeindeamt schliesslich eine junge Hilfe zugeteilt wird, kommt's wie's kommen muss: das von allen ins Herz geschlossene Waislein bekommt gute Stiefeltern, ausserdem zwei liebenswerte Onkels und eine friedliche Tante...

Leo Seid!, der einfallsreiche Regisseur, spielt mit feinen charakteristischen Mitteln die Hauptrolle. Auch das neuformierte Ensemble, in dem er wurzelt, darf sich sehen lassen. Zum Teil bewundernswerte, über das Dilettantische hinauswachsende Leistungen wurden geboten. Freunden unverfälschten Volkstheaters seien die Wiederholungen empfohlen: 16., 19. und 20. März.