„Dienstma Nr. 13“

Dialektaufführung der Theatergruppe Friesenberg im Spiegel der Presse

Es bedeutete ein heikles Unterfangen für die Friesenberger Theatergruppe, sich an ein Stück zu wagen, das wir ausschliesslich von der Berufsbühne her kennen. Man lässt sich in solchen Fällen gern zu Vergleichen verleiten, die oft in die lapidare Sprichwortweisheit ausmünden: „Viel kopiert, doch nie erreicht.“ Nun, wir haben die seinerzeitigen Aufführungen im „Corso“ mit Heinrich Gretler in der Titelrolle nicht gesehen, und wir können deshalb vorurteilsfrei an eine kritische Beurteilung herangehen.

Wir glauben, dass der zu früh gestorbene Autor Walter Lesch, dem Kabarett und Volkstheater so Wertvolles und Ausgezeichnetes verdanken, der flotten Inszenierung von Leo Seidl unbedingt seinen Segen erteilt hätte. Aber auch die Interpretation dieses stets im Mittelpunkt stehenden „Dienschtma Nr. 13“ durch den Regisseur beruht auf Eigenständigkeit. Ein kauziger Junggeselle mit einem goldenen Herzen, wie er leibt und lebt, agiert vor uns, und um ihn herum bewegen sich lauter trefflich gezeichnete und dargestellte Charaktere, wie sie uns täglich begegnen.

Worum geht es in diesem durch und durch bühnenwirksamen Spiel, das im ausverkauften Neuen Friesenbergsaal unter Beifallsstürmen zum erstenmal in Szene ging? In den Aufenthaltsraum der Dienstmänner unseres Hauptbahnhofes platzt unversehens eine blutjunge Mutter, um nach einem Schwächeanfall ohnmächtig umzusinken. Die umhersitzenden dienstbaren Geister der Reisenden, die sich zuvor noch gegenseitig beknurrten und befehdeten, bilden plötzlich ein harmonisches Kollektiv. Jeder bestrebt sich, der verwirrten Frau, die von einem Hochstapler schamlos hintergangen wurde und nun mit einem Säugling verlassen dasteht, tatkräftig zu helfen. Einer sorgt zunächst für etwas Warmes im Magen; ein anderer anerbietet sich, den Heimatlosen für die erste Zeit ein Dach über dem Kopf zu bieten; ein dritter gar entwickelt kriminalistische Fähigkeiten, den verantwortungslosen Vater ausfindig zu machen. Ein Kollege bettelt Kleinkinderwäsche zusammen, und ein Kamerad schafft Stärkungsmittel herbei; jeder möchte an dem armen Würmchen etwas Vaterstelle vertreten.

Zwei dieser dienstfertigen Männer wollen der geprüften Mutter jedoch mehr sein als nur selbstverständliche Helfer, nachdem feststeht, dass der treulose Vater sich auch fernerhin um seine Pflichten drücken will: der alte Hagestolz Bögli, in dessen einsame Wohnung jetzt Sonnenstrahlen fallen, seit sie Kindergeschrei erfüllt und eine ordnende Hand zum Rechten sieht — und da ist noch der junge Xaver, der in leiser, aber hartnäckiger Rivalität zu seinem väterlichen Kollegen entbrennt. Fein schildert dann Lesch, zwischen Scherz und Ernst geschickt hin und her pendelnd, im weiteren Verlauf der Handlung, hübsch ausgestattet von der Dekorationsfirma Alb. Isler, die stille Resignation Böglis, weil Jugend eben zu Jugend gehört. Aber auch Bögli kommt noch zu spätem Eheglück mit einer Nachbarin, die schon viele Jahre auf den völlig Ahnungslosen gewartet hat.

Der Reingewinn dieser Aufführungen fliesst geistig invaliden Kindern zu. („Tagesanzeiger“)

Bis auf den letzten Platz besetzt war am Samstag der Neue Friesenbergsaal. Denn es hat sich längst herumgesprochen, dass die Friesenberger Theatergruppe stets gutes Volkstheater bietet, statt sattsam bekannte Schauerdramen und alberne Schwänke. Auch die neuen Aufführungen rechtfertigen den guten Ruf der Friesenberger Theaterleute, die mit Leib und Seele bei der Sache sind. Leo Seidl hat das fünfbildrige Stück, das seine Figuren aus dem Leben bezieht und an den Helferwillen in der menschlichen Gemeinschaft appelliert, mit Geschmack inszeniert. Auch die Darstellung ist lobenswert. Man kann sagen, dass jede Rolle richtig besetzt wurde und dass ihre Inhaber fein zu charakterisieren verstehen. In sprachlicher Hinsicht begrüsst man die saubere, klare Diktion, welche jeglichem Pathos aus dem Wege geht.

Das fröhliche Dialektspiel, das gelegentlich in sehr ernste Töne übergeht, spielt sich in hübschen, die Situation gut treffenden Dekorationen ab. Die Spannung ist durchgehend, und Überraschungen folgen sich am laufenden Band. Das Lokalkolorit, in dem sich die abwechslungsreiche Handlung bewegt, wurde mit Schmunzeln goutiert, aber auch die Seitenhiebe, mit denen Lesch sein Publikum nicht verschont. Es gab viel herzliches Lachen, reichen Applaus und sogar Blumenspenden. („Volksrecht“)

Zweierlei weiss man von der „Theatergruppe Friesenberg“: Sie besitzt in Leo Seidl einen Spielleiter, der sich stets bemüht, ein verantwortbares Niveau im Laien- und Volkstheater zu pflegen, und sie weiss der Versuchung, nur des Geldes wegen zu spielen, dadurch zu entgehen, dass sie den Reinertrag ihrer Aufführungen immer einem wohltätigen Zwecke zur Verfügung stellt. „Lassen Sie Ihre Köfferli der Alltagssorgen zurück, und es in den nächsten Stunden von Dienstmännern tragen.“ Mit diesen Worten endete die kurze Begrüssung durch einen Sprecher der Veranstalter vor dem Vorhang. Walter Lesch hatte immer eine grosse Vorliebe für die Figur des Dienstmannes. Im Eröffnungsprogramm des Cabarets „Cornichon“ sang Emil Hegetschweiler das „Chanson vom Dienstmann“, dem er den vielbedeutenden Refrain „Langsam — aber sicher“ schenkte. „Dienschtma Nr. 13“ leuchtet hinter die Kulissen der Dienstmänner, berichtet von ihren Freuden und Sorgen und schildert in ansprechender Art das Leben einer Menschengruppe, die man im Bahnhofgewimmel meist kaum beachtet. Diese zarten menschlichen Fäden traten in der Aufführung der Theatergruppe Friesenberg in schönster Weise ans Licht, schimmerten auch in dem vom Autor und vom Regisseur eingestreuten goldigen Humor und liessen die Aufführung zu einem unterhaltenden Abend im besten Sinne des Wortes werden. Das in Scharen herbeigeeilte Publikum dankte allen Mitwirkenden und insbesondere dem Spielleiter, Leo Seidl, für diese Darbietung mit langanhaltendem Beifall. („Die Tat“)